Das Bild zeigt eine hölzerne Treppe, die durch Dünen zum Strand führt und in Richtung eines Sonnenaufgangs oder Sonnenuntergangs verläuft. Auf den einzelnen Stufen sind Jahreszahlen von 2026 bis 2035 groß und weiß aufgemalt, als würden sie den Weg in die Zukunft symbolisieren. Am Ende der Treppe, wo das Licht am stärksten ist, scheint die Reise in die kommenden Jahre zu führen, während der breite Himmel und das ruhige Meer im Hintergrund eine friedliche, weite Stimmung vermitteln.

Letzte Woche hatte ich auf der DrupalCon Europe die Gelegenheit, an einem Keynote-Panel zur Zukunft des Webs und von Open Source teilzunehmen. In diesem Artikel möchte ich meine Diskussionsbeiträge zu den Themen digitale Souveränität, Standards, Ethik und die langfristige Entwicklung von Open Source ausführen und festhalten.

Open Source als Fundament digitaler Souveränität

Frage: Open Source hat die Webentwicklung echt vorangetrieben. Wie siehst du die Rolle von Open Source bis 2035, vor allem in Bezug auf Innovation, Zusammenarbeit und digitale Souveränität?

Open Source war schon immer ein Motor für Innovation und Zusammenarbeit im Web und wird in Zukunft noch wichtiger werden. Wir werden mehr Initiativen wie den Sovereign Tech Fund der deutschen Sovereign Tech Agency sehen, die gezielt kritische digitale Infrastrukturen unterstützen. Entscheidend wird sein, dass Organisationen zunehmend erkennen: Open Source ist nicht kostenlos, sondern erfordert Investitionen in Wartung, Sicherheit und Governance.

Europa erkennt gerade, dass die Abhängigkeit von proprietären Systemen großer Technologieanbieter strategische Risiken birgt. Open Source bietet hier eine Grundlage für technologische Unabhängigkeit, ohne sich von der Welt abzuschotten. Ähnlich wie PHP, das sich von einfachen CGI-Skripten zu einer unternehmenskritischen Infrastruktur entwickelt hat, die heute 75 % aller Websites antreibt, wird auch die Open-Source-Bewegung weiter professionalisiert. Bessere Governance-Strukturen, klare Verantwortlichkeiten und nachhaltige Wege für die Einbindung neuer Mitwirkender werden dabei den Fortschritt bestimmen.

Standards als Treiber für Offenheit und Sicherheit

Frage: Standards spielen eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung von Interoperabilität und Zugang im Web. Wie könnte sich die Entwicklung und Umsetzung von Webstandards bis 2035 verändern, und welche Auswirkungen könnte dies auf Entwicklerinnen und Entwickler sowie Nutzerinnen und Nutzer haben?

Standards garantieren Interoperabilität und Zugänglichkeit im Web. Ich hoffe, dass sich der Fokus bei der Entwicklung von Webstandards weiter auf die Vermeidung von Lock-in und auf echte Offenheit richtet. Datenschutz und Sicherheit sollten von Beginn an integraler Bestandteil dieser Standards sein und nicht nur ein nachträglicher Zusatz.

Die Bestrebungen der EU hin zu digitaler Souveränität werden diesen Wandel fördern. So wie sich Type Checking und automatisiertes Testen in der modernen PHP-Entwicklung etabliert haben, werden auch Werkzeuge zur Überprüfung der Standardkonformität selbstverständlich Teil des Entwicklungsprozesses. Dadurch werden Standards nicht mehr als Hürde, sondern als Qualitätsmerkmal für nachhaltige Softwareentwicklung empfunden.

Ethik und Verantwortung in digitalen Räumen

Frage: Da Webtechnologien immer mehr Teil unseres Alltags werden, welche ethischen Überlegungen sollten Entwicklerinnen und Entwickler sowie Organisationen anstellen, um Vertrauen und Fairness im digitalen Raum zu gewährleisten?

Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Informatik (GI) sowie des Chaos Computer Clubs (CCC) sehe ich mich sowohl fachlich als auch ethisch in der Verantwortung. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die von der GI veröffentlichten ethischen Leitlinien sowie auf die vom CCC formulierte Hackerethik verweisen. Beide Kodizes bilden für mich einen verbindlichen Rahmen für verantwortungsbewusstes, transparentes und gemeinwohlorientiertes Handeln in der digitalen Welt.

Da digitale Technologien zunehmend in alle Lebensbereiche vordringen, müssen Entwicklerinnen und Entwickler sowie Organisationen Verantwortung übernehmen. Systeme sollten offen zur Überprüfung sein und Rechenschaft ablegen können – ganz im Sinne des Open-Source-Gedankens. Geschlossene "Black Box"-Systeme gefährden das Vertrauen und schaffen Haftungsrisiken.

Der Erfolg der PHP-Community basiert auf globaler Zusammenarbeit. Damit dies auch in Zukunft möglich ist, müssen wir technische, wirtschaftliche und soziale Barrieren in unseren digitalen Räumen abbauen. Meine 25-jährige Erfahrung als Maintainer von PHPUnit hat mir gezeigt, dass nachhaltige Software eine langfristige Perspektive braucht: kontinuierliche Wartung, Sicherheitspflege und Community-Unterstützung. Menschen sollten über ihre Daten verfügen und echte Wahlmöglichkeiten bei digitalen Diensten haben. Digitale Souveränität bedeutet, die Kontrolle zu behalten, nicht sich zu isolieren, sondern selbstbestimmt zu handeln.

Eine mutige Prognose

Frage: Irgendwelche kühnen Prognosen für das Internet im Jahr 2035?

Ich bin überzeugt: Open Source wird der Standard für kritische digitale Dienste sein. Finanzierungsmodelle wie das der PHP Foundation werden Schule machen. Proprietäre Lock-ins bei essenziellen Systemen werden als inakzeptables Risiko betrachtet werden. Organisationen werden bewusst Lösungen bevorzugen, die sie selbst prüfen, verändern und kontrollieren können, anstatt sich externen Plattformen auszuliefern.

Idealerweise würden zentrale digitale Dienste von Nutzer- oder Organisationskooperativen und nicht von profitorientierten Konzernen betrieben. In einem marktwirtschaftlichen Umfeld ist das sicher schwer umzusetzen, doch das sollte uns nicht davon abhalten, danach zu streben. Digitaler Fortschritt muss immer auch die Freiheit zur Mitgestaltung bewahren: Open Source ist und bleibt dabei der Schlüssel.

Hier ist eine Videoaufzeichnung des Keynote-Panels:

The Web in 2035

Abschließend möchte ich mich herzlich bei meinen Mitdiskutierenden Sachiko Muto, Ondřej Mirtes und Derick Rethans sowie bei unserer Moderatorin Aikaterine Tsiboukas für die anregende und bereichernde Diskussion bedanken.